Immobilienkonzern klagt gegen Leipzigs Mietspiegel – mit welchen Folgen?

Ohne Rücksicht auf den Mietspiegel hat ein britischer Fondsverwalter für zahlreiche Wohnungen in Leipzig die Mieten erhöht. Wo sich Haushalte weigern, das zu akzeptieren, zieht die als BCRE bekannte Firma vor Gericht. Nun beginnt eine bisher einmalige Prozesswelle, die Auswirkungen auf ganz Leipzig haben könnte.

Zur Prozesslawine des Immobilienkonzerns BCRE gegen Leipziger Mieter sollen in dieser Woche schon erste Termine am Amtsgericht stattgefunden haben. Das berichteten Betroffene gegenüber der LVZ. Eine der zehn Richterinnen und Richter, die sich jetzt mit den vielen BCRE-Klagen befassen müssen, habe in einem Gütetermin geäußert, dass es bei dem Streit in erster Linie um den „Leipziger Mietspiegel 2020“ gehe. Dieser galt bis zum Juni 2023.

Begonnen hatte der Konflikt bereits einige Monate vorher: im Januar 2023. Damals verkaufte die wirtschaftlich angeschlagene Adler Group 2700 Leipziger Wohnungen ihrer Tochter BCRE (die Abkürzung steht für Brack Capital Real Estate). Der Preis betrug 240 Millionen Euro, also umgerechnet rund 89.000 Euro pro Wohnung.

Neuer Eigentümer kommt aus London

Neuer Eigentümer wurde ein Joint Venture aus dem in London ansässigen Fondsverwalter Tristan Capital Partners sowie dem Hausverwalter Lübke Kelber aus Frankfurt/Main. Ein Tristan-Manager schwärmte seinerzeit von den Chancen für Mieterhöhungen in Leipzig. Neuerdings nennt sich die Tochterfirma nicht mehr BCRE, sondern LK Property Management (abgeleitet von Lübke Kelber). Auf einer frisch gestarteten Internetseite stellt sich das Unternehmen so vor: „Die LK Property Management verwaltet aktuell mehr als 3000 Einheiten für Wohnen und Gewerbe mit zirka 150.000 Quadratmeter Fläche in Leipzig.“

Ob das eine gute Nachricht ist, daran äußern langjährige BCRE-Mieter Zweifel. Bei den Beständen geht es oft um teilsanierte Altbauten, zum Beispiel 96 Häuser, die bis 2011 dem kommunalen Wohnungsunternehmen LWB gehörten. Sie befinden sich in Großzschocher, Meusdorf, Connewitz, Gohlis, Wahren oder Mockau. Auch frühere Genossenschaftsbestände wie die „Residenz am Zoo“ mit 500 Wohnungen in der Nordstraße kamen später hinzu.

Bald nach dem Kauf – so etwa im Zeitraum März bis Mai 2023 – veranlasste der neue Eigentümer hunderte, wenn nicht sogar tausende Mieterhöhungen, erzählen die Mieter. Die entsprechenden Briefe seien stets von ein und derselben Anwaltskanzlei aus Gohlis verschickt worden. Diese Kanzlei hatte den Eigentümer aus London auch schon beim Kauf der Häuser in Leipzig beraten.

Kanzlei: Leipziger Mietspiegel fehlerhaft erstellt

Außergewöhnlich dabei war, dass die Erhöhungen nicht mit dem Leipziger Mietspiegel begründet wurden. Im Gegenteil überstiegen sie dessen Grenzwerte oft. Die Kanzlei argumentierte, der Mietspiegel 2020 sei fehlerhaft erstellt worden und deshalb nicht als „qualifiziert“ anzusehen. Qualifiziert bedeutet: Er wurde nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt. Nur wenn eine Kommune einen „qualifizierten“ Mietspiegel hat, gilt dieses Dokument als entscheidende Richtschnur, ob und wie stark eine Miete angehoben werden darf. Hat eine Kommune keinen oder nur einen einfachen Mietspiegel (in Form einer Preisübersicht) vorzuweisen, können die Hauseigentümer zur Begründung ihrer Forderungen auch auf drei Vergleichswohnungen in der Umgebung oder auf Gutachten verweisen.

Insbesondere bei den Vergleichswohnungen wird es dann meist teurer, weil der Hauseigentümer naheliegend solche Wohnungen auswählt, die schon besonders teuer sind. Nach Angaben verschiedener Betroffener aus Großzschocher, die vom Leipziger Mieterverein grundsätzlich bestätigt wurden, soll BCRE bei den Erhöhungen 2023 stets mit Vergleichswohnungen argumentiert haben. In vielen Fällen hätten vor allem hochbetagte Senioren solche Erhöhungen akzeptiert oder ein späteres Kompromissangebot der Kanzlei aus Gohlis unterschrieben, berichtete auch Jörg Trabitz aus der Arthur-Nagel-Straße. Ihm habe die Kanzlei aus Gohlis sogar eine Prozessgebühr vom Konto abgebucht, das nach einer Beschwerde aber wieder rückgängig gemacht.

„Viele Ältere haben nicht den Mut, sich mit ihrem Vermieter anzulegen“, sagte Trabitz. „Dabei haben sie oft noch dünne Wabenkerntüren aus DDR-Zeiten und einen 58 Jahre alten Fußbodenbelag.“ Bei einem Bekannten im Viertel, wo allerdings schon mal renoviert wurde, wolle BCRE die Kaltmiete nun auf 7,40 Euro pro Quadratmeter anheben. „Laut Mietspiegel erlaubt wären maximal 6,29 Euro. Für mich sind das Heuschrecken“, meinte der 79-Jährige. Er wisse von mehreren Prozessen, die nächste Woche am Amtsgericht beginnen sollen. Er selbst sei erst in einigen Wochen ans Amtsgericht geladen und wolle sich dann wahrscheinlich selbst verteidigen.

Auch für Garagen will BCRE deutlich mehr Geld

Sigrid Jagel wohnt ebenfalls in Großzschocher, jedoch bei der Genossenschaft Lipsia, mit der sie sehr zufrieden ist. Empörend sei eine Pachterhöhung für ihre Garage an der Kloßstraße, erzählte sie. „Das Gebäude habe ich vor langer Zeit selbst gekauft, der Boden darunter gehört aber der BCRE. Statt 10,73 Euro im Monat soll ich nun ab 1. Februar für diese Handtuch-Fläche 65 Euro bezahlen.“ Ein Bekannter, der jüngst eine Erhöhung der Garagenpacht ablehnte, habe sofort die Kündigung von BCRE erhalten. „Dem Sohn meiner Freundin haben sie die Miete für eine Drei-Raum-Wohnung in der Karl-Heft-Straße um 70 Euro erhöht, obwohl an der Wohnung noch nichts gemacht wurde.“

Wegen Mietererhöhungen, die von den Haushalten nicht akzeptiert wurden, soll BCRE in den vergangenen Monaten eine dreistellige Zahl von Klagen am Amtsgericht eingereicht haben. Die Kanzlei in Gohlis erklärte auf LVZ-Anfrage, der Eigentümer wolle sich nicht zu der Prozesswelle oder zu einzelnen Mieterhöhungen äußern. Der Mieterverein berichtete, in dieser Größenordnung habe es in Leipzig noch nie Klagen gegeben, die letztlich den Mietspiegel zu Fall bringen wollten.

Welche Folgen die Großattacke auf den Mietspiegel für jetzt nicht unmittelbar betroffene Haushalte haben wird, ist schwer einzuschätzen. Wegen der ungewöhnlich hohen Zahl von Verfahren kann die Pressestelle des Amtsgerichts zu den Terminen, die alle zehn Mietrichter individuell festlegen, keine genaueren Auskünfte geben. „Kommt eine Richterin oder ein Richter zu dem Schluss, es habe – und das ist wichtig – bei Zugang des einzelnen Mieterhöhungsverlangens in einem einzelnen Prozess keinen „qualifizierten“ Mietspiegel in Leipzig gegeben, weil Förmlichkeiten bei der Fortschreibung eines Mietspiegels nicht eingehalten wurden“, erläutert Sprecher Alexander Länge, „dann kann das dazu führen, dass das Gericht zur Höhe der im Streit stehenden ortsüblichen Miete ein Sachverständigengutachten einholt. Diese Gutachten können sehr teuer sein. Und die Kosten muss am Ende die Partei zahlen, die den Prozess verliert.“ Wenn sie das wünschen, dürften andere Richter solch ein Gutachten gleich mitnutzen.

Klagewelle beim Mietspiegel: Gefahr durch Nachahmer?

Indes könne ein einzelner Amtsrichter nicht den ganzen Leipziger Mietspiegel 2020 oder den aktuell gültigen Mietspiegel 2022 für ungültig erklären, betonte Länge. Es sei denkbar, dass verschiedene Amtsrichter zu dem Thema unterschiedlich entscheiden. Rechtsfolgen hätten diese Entscheidungen immer nur für die unmittelbar am Prozess beteiligten Seiten. Etwas anderes sei nur möglich, falls nach einem Rechtsmittel das Landgericht um Klärung gebeten wird – oder das Verfahren nach einem Berufungsurteil zum Bundesgerichtshof (BGH) wandert. Diese Instanzen könnten dann verbindliche Entscheidungen zur Rechtskraft eines Mietspiegels treffen. Dergleichen gab es für Leipzig aber noch nie.

Fachleute sehen die größte Gefahr der jetzigen Klagewelle darin, dass das Vorgehen von BCRE auch andere größere Eigentümer dazu ermuntern könnte, künftig auf den Mietspiegel zu pfeifen. Leipzig ist nach Berlin die Metropole in Deutschland, in der die Mieten zuletzt am schnellsten gestiegen sind. Falls die BCRE-Klagen Erfolg haben, könnte die Messestadt da sogar bald an der Spitze stehen.


Jens Rometsch 28.01.2024

Klageflut zum Leipziger Mietspiegel: Sharedeals gehören abgeschafft

Ein Immobilienkonzern aus London will Leipzigs Mietspiegel mit einer Klagewelle zu Fall bringen. Eine Mitschuld daran haben auch Politiker in Bund und Land und nicht zuletzt ein Leipziger Arbeitskreis, der einfach keinen Konsens über das wichtige Instrument Mietspiegel findet, argumentiert Jens Rometsch.

Natürlich kann man es als gierig verurteilen, wie der neue BCRE-Eigentümer in Leipzig auftritt. Doch dass eine britische Fondsgesellschaft überhaupt in die Lage gekommen ist, den Leipziger Mietspiegel ins Wanken zu bringen, hat viel mit Fehlern in der deutschen Politik zu tun.

Zum Beispiel hatte der städtische Wohnungsriese LWB im Jahr 2011 nur deshalb 2600 Wohnungen an BCRE verkauft, weil die Bundespolitik dergleichen belohnte. Kommunalen Gesellschaften im Osten und den hiesigen Genossenschaften wurden damals unsinnige Altschulden aus DDR-Zeiten erlassen, wenn sie mindestens 15 Prozent ihrer Wohnungen privatisieren.

Dadurch kamen im besten Fall Glücksritter zum Zug, die ihre Häuser später für immer höhere Preise locker hin und her verscherbeln konnten. Über die sogenannten Sharedeals ist der Verkauf riesiger Immobilienpakete an noch größere Fonds in Deutschland bis heute steuerfrei – während jede Familie für ihren Traum vom Eigenheim eine Grunderwerbssteuer berappen muss.

Ampelregierung hat nichts gegen Sharedeals getan

In Sachsen beträgt die Grunderwerbssteuer derzeit 5,5 Prozent. Allein der jüngste BCRE-Verkauf hätte sich durch diese Steuer um mehr als 13 Millionen Euro verteuert – und die Briten vielleicht vom Einstieg abgehalten. Doch durch die Sharedeals bekommt man Tausende Wohnungen in Deutschland eben auch steuerfrei. Dabei wollte sie die aktuelle Ampelregierung in Berlin eigentlich ebenso abschaffen wie die große Koalition davor. Nur passiert ist da leider bis heute nichts.

Stattdessen hat die Ampel die Vorschriften zum Erstellen eines Mietspiegels erheblich verändert. Das geschah gewiss in guter Absicht: um dieses Instruments zur Wahrung des Rechtsfriedens zu stärken und Wildwest-Methoden auf dem Wohnungsmarkt zu unterbinden. Nur leider gelang die Umsetzung auch in diesem Fall nur holprig. Obendrein setzte der Freistaat Sachsen diese Reform erst so spät um, dass das Leipziger Sozialamt viele Klimmzüge machen mussten, um den derzeit gültigen „Leipziger Mietspiegel 2022“ noch irgendwie zu retten. Auch gut begründete Kritiken im Arbeitskreis Mietspiegel wurden deshalb beiseite gewischt.

Stadt Leipzig könnte Probleme lösen

Dabei könnte Leipzig genau in diesem Gremium, in dem auch Vermieter- und Mietervertreter, Wissenschaftler und das Leipziger Amtsgericht mitwirken, einen guten Teil der Probleme auch auf kommunaler Ebene lösen. Bis heute gab es in Leipzig leider noch nie einen „qualifizierten Mietspiegel“, der auch von den Wohnungsgenossenschaften, der LWB und vom Eigentümerverband Haus&Grund mitgetragen worden wäre. Obwohl sie alle im Arbeitskreis mit am Tisch sitzen. Wenn sich dort kein Konsens findet, hängt der Mietspiegel in einer Schieflage, die ihn vergleichsweise anfällig für Klagen aller Art macht.

Am besten wäre also, wenn das Sozialamt der Stadt als federführende Kraft es schafft, zum nächsten „Mietspiegel Leipzig 2024“ einen Konsens zwischen Mieter- und Vermietervertretern im Arbeitskreis herzustellen. Mit etwas gutem Wille auf allen Seiten dürfte das nicht unmöglich sein. In jedem Fall würde es Ansehen und Bindungskraft des Leipziger Mietspiegels deutlich stärken. Und damit sehr viele Sorgen in dieser Stadt vertreiben.


Jens Rometsch 14.12.2023 

Preise für Eigentumswohnungen sinken bundesweit in Leipzig am stärksten

Das Angebot an Eigentumswohnungen in Leipzig war nie größer als jetzt. Seit einem Rekord vom Mai 2022 haben sich die Kaufangebote in diesem Immobilienbereich auch stark verbilligt. Unter den 14 deutschen Metropolen sind die Preise in Leipzig daher nun am günstigsten. Jedoch steigen die Mieten immer weiter.

Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in Leipzig sind im dritten Quartal 2023 rapide gefallen. Laut dem Internetportal Immowelt verbilligten sich die Angebote für Altbauwohnungen um 3,1 Prozent auf durchschnittlich 2485 Euro pro Quadratmeter. Damit habe die einwohnerreichste Metropole Sachsens den stärksten Rückgang unter den 14 größten Städten in Deutschland verbucht.

Untersucht wurden alle Städte mit mehr als 500 000 Einwohnern. Deutlich sinkende Preise verzeichneten auch Dortmund und Frankfurt/Main. Einen Anstieg gab es von Juli bis September allein in Bremen – konkret um 1,1 Prozent.

Niedrigster Kaufpreis unter allen 14 Metropolen

Bemerkenswert findet Immowelt-Geschäftsführer Felix Kusch, dass gebrauchte Eigentumswohnungen in Leipzig nun wieder etwas weniger kosten als in Dresden. In Sachsens Landeshauptstadt gaben die Angebote im dritten Quartal nur um 0,7 Prozent nach auf 2492 Euro. Das ist sieben Euro teurer als in Leipzig.

Überhaupt weise Leipzig gegenwärtig die niedrigsten Preise unter allen 14 Metropolen auf, obwohl die Messestadt bei der Einwohnerzahl an siebter Stelle steht. Beispielsweise koste der Quadratmeter in Hannover 3285 Euro, also rund 800 Euro mehr als an der Pleiße. In Berlin (5009 Euro) sei doppelt so viel wie in Leipzig zu zahlen. In München (8305 Euro) werde sogar mehr als das Dreifache verlangt.

Allerdings enthalten diese Zahlen keine neu erbauten Objekte. Vielmehr ziele die Methodik der Studie auf eine Standardwohnung mit 75 Quadratmeter im ersten Stock ab. Um auch andere Annoncen auswerten zu können, werde ein Vergleichswertverfahren aus der Immobilien-Bewertung verwendet.

Seit dem Höchststand im Mai 2022 hätten sich die Preise in den deutschen Metropolen um durchschnittlich 9,4 Prozent verringert. Leipzig habe sich diesem Trend aufgrund stärkerer Schwankungen recht lange entzogen, meint Kusch. „Das Auf und Ab lässt sich bereits seit über einem Jahr beobachten.“ Aktuell kostet der Quadratmeter in Leipzig nur 15 Euro weniger als vor einem Jahr.

Trendumkehr nach Rekordwert im Mai 2022

Hauptgrund für den Trend zu fallenden Preisen sei eine sinkende Nachfrage, hervorgerufen von höheren Zinsen und strengeren Anforderungen für Kredite. Potenziellen Käufern biete die Situation aber auch Chancen, so Kusch. „Die Zahl der Immobilien, die sich derzeit auf dem Markt befinden, ist so groß wie lange nicht.“

Interessenten könnten daher besser verhandeln und sich mehr Zeit für ihre Entscheidung nehmen. „Etwa die Vorlage eines Sanierungsplans inklusive der zu erwartenden Kosten kann bei den Preisverhandlungen zu spürbaren Nachlässen führen.“

Laut der Immobilien-Datenbank Geomap, die sämtliche Annoncen auf allen Internetportalen und noch weitere Quellen auswertet, war das Angebot an Eigentumswohnungen in Leipzig bereits im zweiten Quartal 2022 ungewöhnlich stark gewachsen – um etwa 70 Prozent.

Kurz nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine sanken außerdem die Preise in der Messestadt erstmals seit langer Zeit. Im zweiten Quartal 2022 hatten die Kaufangebote noch den Höchststand von durchschnittlich 3747 Euro pro Quadratmeter erreicht (Geomap rechnet hier Alt- und Neubauten zusammen).

Seither ging es aber trotz einiger Schwankungen unterm Strich abwärts: auf 3172 Euro im zweiten Quartal 2023. Der Kaufpreis-Rückgang binnen eines Jahres betrug also 15,3 Prozent beziehungsweise 575 Euro pro Quadratmeter.

Für neu gebaute Wohnungen im Stadtgebiet wurden im vergangenen Jahr im Schnitt 5400 Euro pro Quadratmeter verlangt. Auch wenn sich der Abfall der Kurve bei Geomap (gehört zum Leipziger Unternehmen Real Estate Pilote) zuletzt wieder abschwächte – ein Ende des Preisverfalls ist noch nicht abzusehen.

Allerdings hatten sich Eigentumswohnungen in Leipzig in den letzten zehn Jahren vor 2022 auch extrem verteuert – je nach Kategorie um 200 bis 300 Prozent. Momentan werden für mehr als 800 Objekte im Stadtgebiet Käufer gesucht. Ein größeres Angebot an Eigentumswohnungen gab es in diesem Jahrtausend in Leipzig noch nicht.

Kaltmieten in Leipzig steigen immer höher

Ganz anders verlief die Entwicklung bei den Mieten. Sie hatten sich lange Zeit von den Kaufpreisen entkoppelt, waren also weniger stark emporgeschnellt. Im Januar 2022 (also noch kurz vor dem Angriff auf die Ukraine) vermeldete die LVZ, dass die Kaltmieten in Leipzig in den zehn Jahren zuvor um 40 Prozent zugelegt hatten. Besonders steil war es dabei ab etwa 2016 hinaufgegangen.

Der Trend hält bis heute ungebrochen an. Allein 2022 kletterten die Kaltmieten in den Bestandshäusern um sieben Prozent. Bei neu erbauten Wohnungen wurde erstmals die Schwelle von zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter überschritten.

Wohnkostenbelastung der Haushalte sinkt

Laut einer Meldung des Internetportals Immoscout24 sind die in Leipzig für freie Wohnungen verlangten Kaltmieten von November 2018 bis November 2023 um durchschnittlich 32 Prozent geklettert. Unter allen deutschen Metropolen verlief der Anstieg nur in Berlin noch steiler – dort waren es 40 Prozent.

Jedoch legten die Löhne seit 2018 ebenfalls zu. Deshalb blieb der Anteil, den die Hauhalte in Leipzig für die Warmmiete von ihrem Nettoeinkommen aufbringen müssen, seit 2020 unverändert bei 29 Prozent. In den Jahren 2018 und 2019 waren es noch 30 Prozent gewesen. 2013 hatte die Quote auf einem Höchstwert von 35 Prozent gelegen. Im statistischen Durchschnitt geben die Leipziger Haushalte heute also einen kleineren Teil ihres Einkommens für die Miete aus als vor zehn Jahren.


Jens Rometsch 21.11.2022

Mietspiegel: Sachsen will neues Gesetz noch 2022 beschließen

Der Streit um eine aktuelle Befragung von mehr als 20.000 Leipziger Haushalten zum Mietspiegel spitzt sich zu. Das Ministerium in Dresden hält das Handeln der Stadt für zulässig. Hingegen sieht Haus&Grund Leipzig gravierende Verstöße gegen ein Bundesgesetz und den Datenschutz. Auch Stadträte schalten sich jetzt ein.

Der sächsische Landtag soll noch in diesem Jahr über einen Gesetzentwurf entscheiden, der das Erstellen von Mietspiegeln im Freistaat neu regelt. Das teilte Frank Meyer, Sprecher vom Staatsministerium für Regionalentwicklung, am Montag auf LVZ-Anfrage mit. Ob der Streit um die Rechtmäßigkeit des Leipziger Mietspiegels damit beendet werden kann, scheint jedoch sehr fraglich. Klar ist nur, dass der hier gegenwärtig geltende Mietspiegel im Juni 2023 ausläuft. Was danach kommt, darüber wird immer heftiger gerungen.

Der Leipziger Eigentümerverband Haus&Grund untermauerte soeben seine Kritik daran, dass das Rathaus bereits eine Befragung von mehr als 20.000 Haushalten in der Messestadt durchführen lässt. Nach Ansicht des Verbandschefs und Anwalts Ronald Linke ist diese Datensammelei zum aktuellen Zeitpunkt „eindeutig rechtswidrig“. Denn zum 1. Juli 2022 hatte der Bundestag ein Mietspiegelreformgesetz in Kraft gesetzt, laut dem die Zuständigkeit für diese Aufgabe nun beim jeweiligen Bundesland liegt. Zwar könnten die Länder das Recht dazu an die Kommunen vor Ort übertragen. „In Sachsen ist das bisher aber nicht geschehen. Deshalb hat die Stadt Leipzig keinerlei Grundlage, um Daten für den nächsten Mietspiegel zu erheben.“

Im Rathaus berief sich das zuständige Sozialdezernat zunächst auf eine

„Mietwerterhebungssatzung“ aus dem Jahr 2020. Das Papier regelt auf vier Seiten, wie Haushaltsbefragungen zum Mietspiegel, zu den Kosten der Unterkunft (KdU) oder zum Leipziger Wohnungsmarktmonitoring durchzuführen sind. Das Vorliegen einer solchen Satzung ändere freilich nichts daran, dass die Kommunen in Sachsen derzeit für Mietspiegel gar nicht zuständig sind, monierte Linke. Er sprach von einem „Datenskandal“. Weil das Rathaus trotz mehrerer Gespräche nicht einlenkte, sondern die Haushaltsbefragungen fortsetzte, wandte sich Haus&Grund Leipzig schließlich an die Sächsische Datenschutzbeauftragte Juliane Hundert.

Datenschutzbeauftragte stimmt Haus&Grund zu

Ende Oktober antwortete die Datenschutzbeauftragte wie folgt: „Die seitens der Stadt Leipzig zur Rechtsgrundlage herangezogene und benannte Satzung ist auch meines Erachtens in der Tat nicht länger wirksam, hierbei ist Ihnen zuzustimmen. Das Vorliegen sonstiger Rechtsgrundlagen ist aber nicht auszuschließen.“ Ob die Stadt bei ihren Erhebungen rechtmäßig vorgehe oder nicht, das müsse allerdings das Staatsministerium für Regionalentwicklung überprüfen, denn der Datenschutz sei hier „nur zum Teil relevant“.

Das Sozialdezernat räumte am Montag gegenüber der LVZ ein: „Solange die Zuständigkeit der Mietspiegelerstellung formal nicht bei den Gemeinden liegt, scheidet eine Datenerhebung auf der Basis der Satzung zur Mietspiegelerstellung aus.“ Die Verwaltung habe sich deshalb entschieden, ihre Befragungen auf Grundlage der anderen Teile der Satzung (für das Wohnungsmarktmonitoring und die KdU-Werte) durchzuführen. Und zwar „auf freiwilliger Basis“, wie Sozialamtsleiterin Martina Kador-Probst betonte. „Vorbereitend für die zu erwartende Zuständigkeitenregelung bezüglich des Mietspiegels kann dies auch dazu beitragen, möglichst lückenlos einen qualifizierten Mietspiegel abzusichern.“ Dabei würden alle personenbezogenen Daten „mit größer Sparsamkeit und Sensibilität“ behandelt.

Ministerium stärkt Stadtverwaltung den Rücken

Das Ministerium für Regionalentwicklung hält diese Vorgehensweise der Stadt Leipzig für rechtlich zulässig, so Sprecher Meyer. Außerdem solle das neue sächsische Gesetz, wenn es denn so im Dezember beschlossen wird, schon rückwirkend zum 1. Juli 2022 für alle Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern gelten. Für Haus&Grund ändere das alles nichts am Grundsatzproblem, entgegnete Verbandschef Linke. „Die Stadt Leipzig erhebt ohne Rechtsgrundlage Daten für den nächsten Mietspiegel. Das Mindeste wäre, dass sie die Haushalte ausdrücklich auf die Freiwilligkeit der Teilnahme dabei hinweist.“

Der Verband empfehle den Leipzigern jedenfalls weiterhin, sich nicht an der Befragung zu beteiligen oder bereits übermittelte Daten zu widerrufen. Wenn das Rathaus nicht doch noch einlenke, seien juristische Klagen von Vermietern oder Mietern gegen den nächsten Leipziger Mietspiegel absehbar – und hätten große Erfolgschancen. Unterdessen kündigte FDP-Stadtrat Sven Morlok eine Anfrage der Freibeuter-Fraktion an den Oberbürgermeister an. Dabei gehe es auch um die Rolle des Rechtsamtes beim jetzigen Vorgehen der Verwaltung.

Sollte es Leipzig nicht schaffen, eine genügend große Anzahl von Datensätzen für den nächsten Mietspiegel auf juristisch erlaubte Weise zu gewinnen, müsste die Stadt im Jahr 2023 wahrscheinlich eine Fortschreibung ihres alten Mietspiegels auf Basis des Preisindexes vornehmen. Angesichts der aktuell sehr hohen Inflation dürfte das deutlich teurer für die Mieter werden, warnte Linke-Stadtrat Mathias Weber. Er rief die Haushalte zur Teilnahme an der Befragung auf.